Obwohl die Corona-Impfung in den letzten Monaten sehr prominent geworden ist, gibt es seit vielen Jahren noch weitere Impfungen – nämlich Standardimpfungen für Kinder. Dazu gehören Schutzimpfungen wie die gegen Tetanus, Masern, Mumps oder Röteln.
Bricht ein Streit zwischen Eltern über die Schutzimpfung des Kindes aus, so ist das ein Fall für den Familienrechtsanwalt, das Thema fällt nämlich in den Bereich des Sorgerechts. In einem aktuellen Fall wollte eine Mutter ihr Kind impfen lassen, der Vater war dagegen. Da sich die Eltern nicht einigten, landete der Streit schließlich vor Gericht.
Der Fall
Die Eltern bekamen 2018 einen Sohn und üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Als es an der Zeit war zu entscheiden, ob der Junge geimpft werden soll und welche Standardschutzimpfungen er bekommen sollte, kam es zum Streit. Während die Mutter sich an die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) halten wollte, zweifelte der Vater, ob eine Schutzimpfung richtig sei und hatte Angst vor möglichen Schäden, da sein Sohn an einer autistischen Störung leidet.
Der Fall landete zuerst vor dem Familiengericht und anschließend beim Oberlandesgericht (OLG) (AZ 6 UF 3/21, Beschluss vom 08.03.2021).
Vor dem Familiengericht
Die Mutter beantragte beim Familiengericht die alleinige Befugnis über die Impfung zu entscheiden.
Da die Impfempfehlungen der STIKO als medizinischer Standard anerkannt sind und ein Impfrisiko immer kleiner ist als der Nutzen der Impfungen, hielt die Mutter dies für einen guten Weg. Der Vater zeigte dem Gericht im Gegensatz dazu jedoch gar keinen Erfahrungssatz auf.
Entscheidung und Begründung des Familiengerichtes
Das Amtsgericht übertrug schließlich der Kindesmutter mit dem Beschluss vom 7. Dezember 2020 die Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen gemäß § 1628 Abs. 1 BGB.
Die Entscheidung basiert auf der Tatsache, dass es Angelegenheiten gibt, die für ein Kind besonders bedeutsam sind. Das Familiengericht hält die Entscheidung, ob ein Kind seine Schutzimpfung erhält oder nicht, für sehr wichtig. In dem Fall kann ein Elternteil beantragen die Entscheidung dafür alleine treffen zu können. Die Schutzimpfung ist so eine Angelegenheit. Darum übertrug das Gericht die Entscheidungsbefugnis an die Mutter. Das Gericht hielt die Pläne der Mutter für das bessere Konzept. Grund dafür ist, dass das Gericht die Gesundheitsvorsorge der Mutter als besser beurteilte, weil sie den Empfehlungen der STIKO folgte.
Vor dem Oberlandesgericht
Der Vater erlebte die Entscheidung des Familiengerichtes als schwerwiegenden Eingriff in seine Rechte und als Verletzung der Rechtsposition des Kindes. Er verstand die Entscheidung nicht, weil es keine Prüfung der Impffähigkeit gab.
Er legte deshalb Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Da der Sohn unter einer Störung aus dem Autismus-Spektrum leide, befürchtete der Vater nämlich, dass diese Störung die Impffähigkeit beeinflussen könnte.
Der Vater verlangte aus diesem Grund, dass das Gericht medizinisch prüft, ob das Kind überhaupt impffähig ist. Er machte sich Sorgen um die körperliche Unversehrtheit seines Sohnes und hatte Angst vor einem Impfschaden.
Sowohl die Mutter des Kindes als auch das Jugendamt hielten jedoch an der Entscheidung des Familiengerichtes fest.
Entscheidung und Begründung des Oberlandesgerichts
Das OLG kam zu der Entscheidung, dass die autistische Störung des Kindes nicht als Kontraindikation gelte. Darum sei auch kein Gutachten erforderlich.
Ein Grund dafür war, dass das Gericht der Kinderärztin des Jungen zutraute die Impffähigkeit einzuschätzen.
Ob das Kind impffähig sei, muss genauer gesagt sowieso ein Arzt prüfen. Impfende Ärzte sind verpflichtet über Kontraindikationen aufzuklären. Das Gericht hatte dabei vollstes Vertrauen in die Kinderärztin, die die Mutter mit dem Sohn ohnehin regelmäßig aufsuchte.
Das OLG hielt die Beschwerde des Vaters daher für unbegründet.
Eine Störung aus dem Autismus-Spektrum gilt nicht als Kontraindikation, daher ist kein Gutachten erforderlich. Besteht keine Kontraindikation, so zielt die Empfehlungen der STIKO auf das Kindeswohl ab und ist deshalb zu befolgen.
Im Familienrecht steht immer das Kindeswohl an erster Stelle. Anhand dieser Gegebenheit trifft ein Gericht Entscheidungen.
Rechtsanwalt Andreas Friedlein